Gerhard Röhner
„Wingertshaisel“ gehören zur Landschaft der Blühenden Bergstraße
Ein Weinberghaus oder Weinberghäuschen bezeichnet ein kleines Gebäude in einem Weinberg. An der Bergstraße nennt man es Wingertshaisel. Im Gegensatz zum Winzerhaus dient es nicht Wohnzwecken, der Unterbringung der Weinpresse oder der Lagerung der Weinfässer, sondern der Aufbewahrung von Handwerkszeug zur Bewirtschaftung des Weinberges. Auch bietet es Schutz bei Unwettern. Wichtig ist die Möglichkeit das Regenwasser, das auf sein Dach fällt, aufzufangen und zu speichern. Früher dienten Weinbergshäuschen hier und da auch der Rebenwacht. Sie wurden dann auch als Wächterhäuschen bezeichn
et.
Östlich der bebauten Grundstücke der B3 und der Bebauung in den Seitentälern beginnen unmittelbar Landschaftsschutzgebiete. In ihnen sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere, wenn dadurch der Naturhaushalt geschädigt, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter (nachhaltig) gestört, eine geschützte Flächennutzung auf Dauer geändert oder4. das Landschaftsbild nachhaltig geändert oder die natürliche Eigenart der Landschaft auf andere Weise beeinträchtigt wird. Der Naturgenuss oder der besondere Erholungswert der Landschaft darf nicht beeinträchtigt werden.
Wingertshäisel stören die Landschaft nicht. Sie sind geradezu Bestandteil der uralten durch menschliche Nutzung entstandenen Kulturlandschaft „Blühende Bergstraße. Sie müssen jedoch in Größe und Form der Landschaft und ihrem Verwendungszweck angepasst sein. Im Rhein-Neckar-Kreis darf der umbaute Raum nicht größer als 15 m³ sein. Wenn er größer ist kommt eine Abrissverfügung.
Leider gingen und gehen alte Häisel nach und nach durch die Zusammenlegung von Wingerten einerseits, andererseits durch die Aufgabe von Wingerten und deren Verwahrlosung, verloren. Auch wurden wohl in der Nachkriegszeit hässliche Hütten aus allen möglichen Materialien zusammengenagelt, teilweise auch als Wochenenddomizil genutzt. Um den Charakter der Landschaft zu erhalten sollte dem entgegengewirkt werde, die Haisel erhalten und landwirtschaftlich genutzt werden.
Im Rahmen des Hemsbacher städtischen Entwicklungskonzepts (ISEK) gründete sich eine Projektgruppe „Landschaft und Vorgebirge“. Sie konzipierte den Blütenweg neu und ging daran aufgegebene und verwilderte Grundstücke insbesondere entlang dieses Wander- und Wirtschaftswegs erst-zupflegen und wieder einer Nutzung zuzuführen. Es entstanden beweidete Obstbaum- und Magerrasen.
Zustand nach Erstpflege des Grundstücks und vor Reperatur des Wingerthaisel
Im Zuge dieser Arbeiten wurde auf einem Grundstück im Hemsbacher Oberen Umbühl ein zuvor vom Blütenweg aus nicht sichtbares, altes Wingertshaisel entdeckt. Insbesondere sein Dach war weitgehend eingebrochen der Unterbau teilweise vermodert. Es bot vor Regen keinen Schutz mehr.
Die Reperaturarbeiten schreiten voran
Unterstützt von einem Dachdeckermeister wurde das Haisel repariert. Nach der Stabilisierung des Unterbaus und der Ausbesserung des Dachstuhls wurde das Dach einheitlich mit alten Biberschwanz-Ziegeln eingedeckt. Benutzt wurden hierbei die vorhandenen und weitere, die beim Abriss eines alten Gebäudes in Hemsbach angefallen waren.
Das reparierte Haisel vom 1. Umbühlweg aus gesehen
Heute dient das Haisel den auf dem Grundstück zur Landschaftspflege eingesetzten Ziegen als Unterstand,
Dem Wanderer bietet es wieder ein ansprechendes Bild.
Wingertshaisel als Regenauffang und Wasserspeicher
Weinberge werden, mit Ausnahme weniger mit installierten Tröpfchen-Bewässerungs-anlagen (z.B. am Schriesheimer Kuhberg), nicht bewässert und benötigen dies auch nicht. Die Wurzeln alter Reben reichen bis zu 10 m in den Untergrund und holen sich dort das für ihr Wachstum notwendige Wasser. Sie können in gewissen Umfang auch über ihre Blätter Feuchtigkeit aus Regen und Tau aufnehmen.
Eine Ausnahme bilden jedoch neue Rebanlagen und neu gepflanzte Reben, die bei Trockenheit gegossen werden müssen.
Wasser wird auch zum Anrühren von Rebschutzbrühe benötigt. Für Feierabend-winzer ohne Transportfahrzeuge ist es sehr mühsam es mit Behältern aus der Ebene in den Wingert zu schleppen.
Wasser ist an der Bergstraße und in den hier liegenden Wingerten extrem rar. Die wenigen Quellen und Klingel können den Bedarf bei Weitem nicht decken.
Wingertshaisel im Hemsbacher Epp (Bürgerwingert 3)
Was liegt also näher, als die Dachflächen der Wingertshaisel zu Regenwasser-Auffanganlagen auszubauen. Dachrinnen fangen den auf die Dachziegen fallenden Niederschlag auf und leiten ihn über Rohre in Behälter außerhalb oder innerhalb des Haisels.
Regenwasser-Auffanganlage auf der Rückseite des Haisels
Auffangbehälter im Inneren sind vorzuziehen. Sie sind nicht nur optisch ansprechender, sondern beugen auch einer Verschmutzung des Wassers z.B. durch Laub vor. Sauberes Wasser ist insbesondere für Spritzen erforderlich damit deren Düsen nicht verstopfen.
Das weiche Regenwasser ist außerdem, besonders beim ökologischen Weinbau, dem harten Leitungswasser vorzuziehen.
Wasserfässer im Haisel
Wingertshaisel als Stützpunkt für verschiedene Tierarten
Aus Naturschutzsicht leisten Wingertshaisel einen erwünschten Zusatznutzen für Tierarten der Bergstraße. Sie bieten z.B. Siebenschläfern und Fledermäusen Unterschlupf. Vögel, wie der Gartenrotschwanz, bauen an oder in ihnen ihre Nester.
Siebenschläfer in der Laudenbacher Unteren Zwicklich
Wespennester sind im Unterschied zu Hornissennestern nicht sonderlich beliebt. Verschiedene Wespenarten tun sich an reifen Trauben gütlich. Sie fallen ins Nahrungsspektrum der Hornissen. Wingerte mit Hornissennestern haben weniger Besuche von Wespen. Die große Angst vor der angeblichen Giftigkeit der Hornisse ist unbegründet. Ungestört greifen sie Menschen nicht an. Die Giftigkeit ihres Stichs entspricht dem der Wespe oder der Biene. Allergiker sollten jedoch keine Konfrontation riskieren.
Hornissennest Hemsbach Alteberg
Gartenrotschwanz (Foto: Zerweck)
Fledermaus, Hemsbach Hundsrück
Des Weiteren eignen sich Wingertshaisel sehr gut zur Anbringung von Nisthilfen für Vögel und Insekten sowie für Fledermauskästen.
Vogel-Nistkasten mit Blaumeise
Beispiele alter Wingertshaisel an der Bergstraße
Heppenheim, Schlossberg
Sulzbach, Ohrenberg
Laudenbach, Eichenhölle
Laudenbach, Essigkrug
Hemsbach, Schneckenberg
Sonderformen von Unterständen
An Bunkereingänge erinnern kleine, in Lössböschungen oder Fels eingegrabene Unterstände. Sie enthalten oft nicht mehr als eine Sitzbank und dienten bzw. dienen noch heute als Unterstand bei Unwettern.
Laudenbach, Oberer Zwicklich