Weinbau im Hemsbacher Dialekt

Weinbau im Hemsbacher Dialekt

Zusammengetragen von Gerhard Röhner, 13.4.201

Der Weinstock wird auch einfach Schdock genannt, wenn er ausgehauen wurde, ist es ein Woiknorze. Seine Augen sind die Aare die daraus wachsenden Triebe die Triewe oder Rude. Mit den Schlingen hält sich die Rebe fest. Aus dem Geschein wird bis zum Herbst die Trauwe, die sich zusammensetzt aus dem Rappe und den Beeren. Trauben, die selbst bis zum Herbst noch nicht reif sind, sind Nochgeblühde oder Madestrauwe. Jungferntrauben sind Erschtlingstrauwe. Ein verwahrloster Wingert ist ein Drecksstück oder ein Wuschtfeld. Früher wurden die Wingerte (= Weinberge) als Kammertwingert angelegt.

Kammertbau, Musbach/Pfalz, Uni Trier

Die Rebstöcke wuchsen an Rahmen, die aus senkrecht stehenden Wingertsstiffel und den sie verbindenden Trurern bestanden. Die Kammerwingerte wurden durch Wingerte in Spaliererziehung mit Drahtramen abgelöst. Die Reihen im Wingert (Weinberg) sind die Zeile, die Reihe außen an der Seite ist die Newezeil. Früher hat man an der Stirnseite eines Wingerts eine Rebzeile gesetzt. Sie brachte einen besseren Ertrag, da sie besonders gut der Sonne ausgesetzt war. Ein einzelner schlechter Stock wird Faulenzer genannt, er bringt zwar gutes Laub, aber kaum Trauben. Ein vergraster Wingert sorgte damals für den Spitznamen seines Besitzers: Queckekönig (Früher wurden die Rebzeilen vegetationsfrei gehalten, heute sind grüne Rebzeilen die Regel). Hat ein Wingert ein bestimmtes Alter erreicht, wird er gerodet. Die Setzreben unterschieden sich früher von den heutigen. Es waren unveredelte Blindreben, Blindhölzer ohne Wurzeln, die mit dem Gaaßefuß in den vorbereiteten Boden gesteckt wurden. Dies war die einfachste Methode. Eine Lücke in einem sonst guten Wingert glich man aus, indem man von einem Mutterstock aus einen Enlejer (Einleger) machte (heute verboten wegen Gefahr der Verbreitung der Reblaus!). Etwa seit der Jahrhundertwende kennt man an der Bergstraße die heute üblichen Drahtanlagen, vorher waren nur Poolwingert (Pfahlwingert) üblich mit Peel oder Schtiggl aus gerissenem Ahadeholz (Robinie) oder Donneholz (Nadelbaumholz), die mit der Hoop (Häpe) oder dem Beil angespitzt wurden. Das Ausbessern hieß stickle mit dem Pooleise oder dem Zuschlaghommer. Mit dem Schneiden der Reben beginnt man heute im Januar, früher um Maria-Lichtmess (2. Februar). Diese Arbeit war zumeist den Männern vorbehalten. Geschnitten wird auf Stämmcher (Stämmchen), Knot (Knoten), Schenkel und hauptsächlich auf Bogrewe (Bogrebe). War mit Frost zu rechnen, lies man eine zusätzliche Rute, die Froschdrude am Stock. Das geschnittene Holz wurde zu Rewewelle gerafft, mit Weideruten (vom Weideputschen geschnitten), gebunden, die zu Hause verfeuert wurden, oft im Worschd– (Wurst-) oder Wäschekessel. Wenn an der Schnittstelle Saft austritt, sagt man: die Rewe bludet. Das Gerte und Bige (Gerten und Biegen) heißt auch Biegel mache. Es war teils auch Frauenarbeit im Frühjahr.

Ogebunne wird heute mit Winzerdrohd (Drähtchen), früher mit Biegweide (Weidenruten), die man im Winter an Weideputschen, die an Bächen wuchsen, selbst geschnitten hat. Da am Stock nicht nur erwünschte Triebe wachsen, muss ausgebroche wern. Das folgende Hefde war reine Frauenarbeit. Sommerarbeiten waren das Labschneide und das Gibble mit der Rebscheer.

Weideputschen, Hirschberg-Leutershausen 19.1.2019
Bindung mit Biegweide, Schriesheim Kuhberg, 22.3.2015

Nach der Lese wurde zugezorre. Alte Bezeichnungen für Krankheiten oder Schädlinge im Wingert sind Äscherisch (=Äscherich), Rebsticheler (Rebenstichler) und Sauerworm (Sauerwurm). Vor der Weinlese waren die Wingerte abgesperrt. Der Beginn der Weinlese wurde ausgeschellt (bekanntgegeben). Die Lese hieß der Herbschde, die Helfer bei dieser Arbeit waren die Leser. Zum Lesen dient heute die Rebscheer, früher auch die Hipp oder Hoop (Hippe). Jeder hatte sein Lieblingswerkzeug.

Karst (ehem. Keller Wind, Hemsbach, Bachgasse)

Vielfältig sind die Bodenarbeiten, die der Winzer durchführen muss: hacke, grawe und riarn (rühren) mit dem Karschd (Karst), der Roadhack (Rauthaue) und mit der Kratz, zakkern mit dem Plug (Pflug). Mist wurde mit der Käitz getragen.

(aus: Dorfheimat 146)
Lesefass und Butte aus Holz (Der Winzerkurier 04-2014)

Gelesen wurde in Omer, die, wenn aus Eisen gefertigt, innen mit Kelterlack gestrichen waren. Volle Eimer wurden in die Bitt oder Bütt geleert, die aus Blech, ganz früher aus Holz gefertigt war. Wenn die Bitt bereits voll war, aber noch Eimer geleert werden mussten, hat der Träger e bissel zommegerittelt damit die Trauben zusammenrutschten. Das, was beim Lesen an den Stöcken hängenblieb, haben später die Leser oder Kinder gestoppelt. Die Trauben wurden aus der Bitt unzerkleinert in einen hölzernen Zuwer (Zuber) geschüttet, der auf dem Erntewagen stand.

Das Mahlen der Trauben erfolgte manchmal am Wingert mit der Miel, die von Hand gedreht wurde und auf dem Zuwer stand. Vom Zuwer wurde die Maische ins Ladefass umgeladen und darin heimgefahren. Die Maische schüttete man mit Eimern auf die Kelter.

(aus: Dorfheimat 146)

(aus: Dorfheimat 146)

Ein Veschbea (Vesper) von der Bauersfrau hergerichtet war der dankbare Abschluss für alle Herbsthelfer. Bei gutem Wetter saß man hierzu in fröhlicher Runde noch im Wingert zusammen.

Es gab verschiedene Keltertypen wie die Dockekelter mit dem Dummelbaom (Tummelbaum). In Hemsbach waren Spindelkeltern verbreitet, bestehend aus Becken, zweiteiligem Bresskorb und Bresshelzern. Der Most floss aus der Kelter in den Kelterzuwer. Durchs zommegergle wurden die letschde Drobbe aus der Kelter gepresst: „Gergels net so arg zomme, sunscht wird der Woi zu sauer“ bremste der Winzer.

Altes Weinfass (ehem. Keller Wind, Hemsbach, Bachgasse)

Im Kelterkorb blieben der Treschder zurück, auch Kuche genannt, den man mit dem Beil oder der Treschdergawel (Trestergabel) zerkleinerte. Man stellte aus dem eingeweichten uffgeriwwelte Trester Flubbes her, auch Haustrunk, Treschterwoi (Tresterwein) oder Knechtswoi genannt. Dann fuhr man den Trester zur Bodenlockerung aufs Feld. Der Most im Fass gährt oder protzelt. Der Federweiße heißt der Naije. Der Wein wird von der Hefe abgestoche.

Die Weinfässer sind aus Eichenholz gefertigt, sie bestehen aus Fassdauwe, abgedichtet wurden sie mit Liesch (Lieschtgras) oder Schilf. Transportfässer hatten einen besonderen Rollraaf. Der fertige Wein wurde im Woihäffel (Haffe = Topf, Häffel = kleiner Topf) auf den Tisch gebracht.

Vom Wein beflügelt wird der Mundartsprecher kreativ, wenn es darum geht, die Folgen übermäßigen Weingenusses zu beschreiben.

(aus: Dorfheimat 146)
(aus: Dorfheimat 146)

An der Bergstraße wird kaum einer einfach betrunken, es wird differenziert. Entweder mer genehmischt sich ooner oder mer trinkt glei en Halwe. Bei uns wird oaner gschlutzert, gsüffelt oder ooner werd hinner die Binn gegosse. Er is dann benewelt oder belzig, oofach zuu oder er hott zu dief ins Glas geguckt. Der oone hot ooner sitze, der onnner is voll wie e Haubitz oder hot Hawer.

Quellen:
https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/kleiber-bingenheimer-steffens-weinbau-sprachgeschichte-mittelrhein-oberrhein-wortatlas.html

Heinz Schmitt: Weinheimer Wortschatz, 5. verb. und erweiterte Auflage Ed. Diesbach, 2009
Günter Rühle, Der Winzerkurier, Ausgabe 04-201

Die Dorfheimat, Heimatbeilage zum Hemsbacher Stadtanzeiger Nr. 146, Juni 2002 http://www.geschichtsverein-hemsbach.de/Dorfheimat/dorfheimat.html

http://wdw.uni-trier.de

Herzlicher Dank für die Beratung geht an:
Hilde Dugimont/Hemsbach
Volker Eberle/Hemsbach +
Hermann Hilkert/(Weinheim-) Sulzbach,
Reinhard Schüßler/(Weinheim-) Sulzbach