Vorhandene, spärliche Kenntnisse zusammengetragen von Gerhard Röhner
50 vor Chr. Wird der Rhein Grenze des römischen Reiches. Die Römer haben großen Weinbedarf.
91 nach Chr. Erlässt Kaiser Domitian ein Rebpflanzverbot für die Kolonien.
Der römische Kaiser Probus (276–282 n. Chr.) wurde auch als „Weinkaiser“ bekannt. Einer Nachricht in der in ihrer Zuverlässigkeit sehr umstrittenen Probus-Biographie „Historia Augusta“ zufolge soll er allen Einwohnern Galliens, Hispaniens und Britanniens erlaubt haben, Reben zu besitzen und Wein herzustellen.
276-282 Anlage Römischer Weinberge in Gallien und den Donauländern. Auch an der Bergstraße?
Nach 400 nach Abzug der Römer Niedergang des Weinbaus.
628 Weinbau in Ladenburg
795 berichtet der Lorscher Codex über Weinbau in Hemmingisbach (Hemsbach). Hemsbacher Weinberge werden geschenkt: „Mergait hat uns einen Weingarten im Ungebühele (Umbühl) geschenkt …, Ratmar vermachte einen Teil seines Weingartens in Manewerche (?) …, im Gewann Espesbach (Espersbach)…, in Awen (auf der Au), Hilteburg vermachte einen Teil ihres Weingartens“. Die Bergstraße wird als „strata publica“ (und nicht „strata montana“) benannt.
Nach 800 erlässt Karl der Große Weinbauregeln.
900 breitet sich nach der Aufspaltung des Fränkischen Reiches der Weinbau bis nach Mitteldeutschland und sogar an die Ostsee aus. An vielen ungeeigneten Flächen wurden Trauben kultiviert. Obwohl keiner der damals gekelterten Weine nach heutigem Geschmacksempfinden wirklich genießbar wäre, stellten sie eine Alternative zum oft verunreinigten Trinkwasser dar.
Für das 12. Jahrhundert finden sich im Lorscher Codex Flurnamen, die auf Hemsbacher Weinbau hinweisen: „Weinberg Balde“ (Ballen)“; „auf der Cile“ (Zeilberg, =Rebanbau in Zeilen). Der Weinbau erfolgte stellenweise bis an die Landstraße hinunter.
Im 14. Jahrhundert besitzt der Deutschorden „sechs Morgen Weinberg im Umbichel“ (Umbühl). Die Kurfürsten haben Weinberge im Herrenwingert.
1551 pflanzte man nach dem Botaniker Hieronymus Bock (1498 – 1554) „Rißling“ im Wormsgau, Druscht und Albich (Elbling) um Landau, Gensfüssel um Neustadt und Deidesheim, Harthinsch (Orleans) um Bad Dürkheim und Wachenheim, Frühschwarz oder Kleber bei Weißenburg, Hynsch allgemein und Moschateller „an etlichen Orten“. Sicherlich standen sie aber nicht im reinen Satz im Weinberg, sondern waren die Hauptsorten im Rebengemisch.
1570 heißt es in der Weinbergordnung von der Bergstraße: „es wird den bestendern (= Pächter) und leibgedingern (= Nutznießer) aufgegeben, sie sollen auch den wingart ufrichtig (in gutem stand) halten mit stifln, druedern und kamerten.“ Am Oberrhein und in der Pfalz wurde Wein vielfach an Kammerten, eine Art Spalier, angebaut, was auf die Römer zurückgeführt wird, die diese Bauart „camera“ (= Wölbung) hießen, weil der Weinberg dadurch mit einer „Decke“ überzogen war.
1618 bis 1648 während des Dreißigjährigen Kriegs bleiben Weinberge bleiben unbebaut oder werden zerstört. Die Bevölkerung an der Bergstraße nimmt stetig ab. Ungünstige Witterung und Rebkrankheiten kommen dazu.
Nach 1700 steigerte sich die Qualität des Weines, durch die Klöster, die ihr Wissen und ihre Erfahrung an die Winzer weitergaben. In dieser Zeit entstanden die heutigen Prädikatsbezeichnungen „Kabinett“, „Spätlese“ und „Auslese“. Viele Bierseidereien entstehen. Bier kostet nur ein Drittel des Weins, der Weinkonsum geht zurück.
1720 Bild der Bergstraße bei Weinheim
1740 schreibt Keysler (Johann Georg Keyßler, Neueste Reise durch Deutschland), „An der Berg-Straße“ sind die „ständig anhaltenden Hügel und Berge … oben mit Waldung und mehr gegen die Ebene mit Weinreben bewachsen. Die Landstraße ist mit Welschen Nuß-Bäumen besetzt und auf beyden Seiten zeigen sich die fruchtbarsten Felder und Wiesen.“ Weiter heißt es: „Unter den Weinen, welche in der Berg-Straße wachsen, ist der Sonnenbergische der beste, weil man in gedachten Gegend Rißlinger Reben geleget hat und keine andere bey Verlust des Weingartens gepflanzt werden müssen. Die davon kommenden Beeren sind klein, und der in geringerer Quantität wachsende Wein kommt erst in vier bis sechs Jahren auf dem Fasse zu seiner Reife. Dahingegen die Gutedel- und Elbinger-Trauben, welche letzten die gemeinsten an der Bergstraße sind, vielen Wein geben, der zwar schwächer als der andere ist und nicht über fünf bis sechs Jahre hält, hingegen aber schon getrunken werden kann, wann er auch erst ein Jahr ist. Ein anderes Weingewächs führt den Namen von Harthengst, und wird daraus dauerhafter Wein gekeltert, der aber in den ersten Jahren von rauhem Geschmacke ist. Die Veltiner Trauben sind hell-roth und süß. Der ordinäre rothe Wein der Berg-Straße aber kommt aus schwarzen Trauben, die wegen ihres klebrigen Saftes: Klebschwartz genennt werden. Von dieser Art hat man ganze Weinberge angelegt. Anstatt daß die übrigen Gewächse gemeiniglich vermischt untereinander stehen und auch in der Kelter zusammenkommen, um eine Sorte durch die andere gut zu machen. …. Die Weinberge fangen schon im zweiten Jahr ihrer Pflanzung an zu tragen, und erhalten sich funfzig bis sechzig Jahre. Man hat einen Versuch mit Burgunden Weinreben in der Berg-Straße gemacht, es sind aber solche nach etlichen Jahren ausgeartet.“ … „Die Pachtung der Güter in diesen Gegenden werden meistenteils mit Früchten in natura abgetragen.“
Um 1800 Förderung des Weinbaus durch Entstehen großer Güter; Qualitätsweinbau nach Ablösung der Zehntpflicht.
Nach 1820 werden in Hemsbach mehrere Rebsorten (welche?) angebaut. Die Reben tragen schon im 2. Jahr und werden 40 bis 50 Jahre alt. Weingärten in den Niederungen und auf guten Ackerböden werden ausgestockt.
Um 1840 Zuckerung und Oechslewaage werden eingeführt. Die Sektherstellung beginnt.
Um 1850 werden mit dem Fall der Binnenzölle für Weine aus der Pfalz und Rheinhessen fallen die Preise der Bergsträßer Weine. Viele Weinstöcke werden ausgehauen. In der Ebene werden die Wingerte durch Tabak-Felder, an den Gebirgshängen durch Kartoffeläcker ersetzt.
1850-1880 werden Oidium, Reblaus und Peronospora aus Amerika eingeschleppt. Im 19. Jahrhundert bringt die Reblaus, den Weinbau nahezu zum Erliegen. Gebietstypische Sorten und der gemischte Satz – eine Kombination verschiedener Rebsorten in einem Weinberg – verschwinden.
1876 Gustav-Adolf Froelich begann mit der Klonenselektion. Bei Weinbautagungen verglich man die Regionalsorten, zeigte Synonyme auf und gab ihnen eine für Deutschland verbindliche Bezeichnung.
Eine 1880 erfolgte Zählung der Hemsbacher Bäume gibt uns einen Eindruck der damaligen „Blühenden Bergstraße“. Es wurden fast 19.000 (!) Obstbäume gezählt (7.854 Zwetschgen-, 5.665 Apfel-, 1.922 Nuss-, 1.756 Birn-, 1.075 Kirsch-, 376 Pfirsich-, 163 Pflaumen-, 110 Mandel- und 8 Kastanienbäume).
Erst mit den so genannten Pfropfreben konnte zur Jahrhundertwende ein Neuanfangim Weinbau gewagt werden. Das Verfahren der Pfropfrebe, bei der heimische Rebsorten auf resistenten amerikanischen Wurzeln gezüchtet wurden, wurde gesetzlich vorgeschrieben.
Nach 1900 gewinnt der Weinbau wieder an Bedeutung, ca. 20 ha Rebland werden in Hemsbach bebaut. Ertrag: 190 hl Weißwein, 590 hl Rotwein. Durch den Fortschritt in der Rebzüchtung, entsteht ein ausgewähltes Sortiment von Standardsorten, die heute den deutschen Weinbau ausmachen.
1904 Gründung der „Bergsträßer Winzergenossenschaft“.
1906 bis 1910 führte die Peronospora praktisch zu einem fast völligen Ernteausfall.
1910 gibt es überhaupt keine Ernte! Viele Rebflächen lagen brach, selbst junge Weinberge wurden ausgehackt. Manche Flächen konnten nur mit Obstanbau gehalten werden. Sehr oft fielen aber die Rebflächen brach, da in den Steillagen andere Kulturen zwecklos waren.
Nach 1918 geht der Weinbau in Hemsbach zurück. 90 Landwirte und Nebenerwerbslandwirte bebauen rund 15 ha Rebgelände.
Auch 1924 gibt es überhaupt keine Ernte!
1925 gab es wieder eine größere Ernte. Den Winzern wurde der Anbau der Sorte Riesling empfohlen, der Anbau von Wildbacher sollte zurückgehen. Es folgten weitere schwere Jahre mit schlechten Ernten, Winterfrostschäden und Hagelschlag.
1928 wurde ein Weinberg im Stemmler zum Verkauf angeboten. 50 Jahre später sollten die Weine aus dieser Lage zum bekanntesten Markenzeichen der Bergstrasse werden.
1929 begann mit einer weiteren Witterungskatastrophe in Form von zwei riesigen Kältewellen mit großen Schäden. Mit Hilfe des Kupferstaubs wurde die Schädlingsbekämpfung besser. Die Reblaus trat massiv auf. Die Ausbringung amerikanischer Reben und ihren Hybriden wurde daraufhin verboten. Hemsbach ist Industriearbeiter-Gemeinde. Von 665 Haushaltungen (einschließlich Balzenbach und Rennhof) sind noch 376 landwirschaftlich tätig aber nur 82 hauptberuflich. Es werden Tabak, Obst (Kirschen), Kartoffeln, Zuckerrüben und Gemüse angebaut. Der Weinbau ist nahezu bedeutungslos.
Eine darauffolgende hoffnungsvolle Entwicklung wurde durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges jäh unterbrochen. Hinzu kamen die Frostschäden der beiden kalten Winter 1939/40 und 1941/42. Letzterer führte zum Totalausfall der Ernte. Der bei Kriegsende lagernde Wein wurde größtenteils geplündert.
1948 lag der alte Willbacher in der Rebfläche noch weit vor dem Riesling!
Ab 1950 konnten Schädlinge und Krankheiten immer besser bekämpft werden. Der Pfropfrebenanbau hielt überall Eingang was auch zu höheren durchschnittlichen Erträgen führte. Rebanbau nimmt in Hemsbach ungeahnten Aufstieg, der Wald auf Hartmuskopf wird gerodet und mit Reben bepflanzt. Hemsbach nennt sich „Weinort“.
Am 7.10.1950 wird die „Winzergenossenschaft Bergstraße“ im Keller des Hauses Förster in der Rittergasse gegründet.
Erst 1951 wurde die Ausbeute des Gründungsjahres 1904 überschritten.
1952 sprach man sich erstmals für eine Kartierung und Abgrenzung der Rebflächen aus. Im gleichen Jahr wurde das Verbot für die An-pflanzung wurzelechter und damit reblausgefährdeter Reben rechtskräftig.
1954 erwirbt die „Winzergenossenschaft Bergstraße“ die Kellerräume der ehemaligen Hemsbacher Burg. Während früher der Weinbau oft nur für den eigenen Bedarf und den Verkauf kleinerer Mengen betrieben wurde, setzte in diesen Jahren ein spürbarer Trend zum echten Neben-erwerbs- und Haupterwerbsweinbau ein. Regelmäßige Rebschutzmitteilungen in den Zeitungen wurden ein-geführt. Der Weinbauverband organisierte Lehrfahrten. Der Riesling wuchs in der Bedeutung gegenüber dem immer noch vorherrschenden Silvaner. Manche hielten aber noch hartnäckig dem Willbacher die Treue.
Im Jubiläumsjahr 1954 zählte die „Bergsträßer Winzergenossenschaft“ bereits 200 Mitglieder und man beschloss die Umbenennung in „Starkenburger Winzergenossenschaft eGmbH“. In dieser Zeit begann der Zustrom von neuen Mitgliedern auch aus anderen Bergsträßer Weinorten. Dies wurde anfänglich von einigen älteren Mitgliedern noch argwöhnisch betrachtet. Hierdurch setzte jedoch eine Entwicklung ein, die auf einen Zusammenschluss aller Bergsträsser Winzer in der Genossenschaft hinauslaufen sollte.
Im Winter 1955/56 erfroren bei Kältegraden bis minus 28 Grad Celsius die Reben fast restlos.
1958 hat die „Winzergenossenschaft Bergstraße“ 98 Mitglieder (Hemsbach bis Leutershausen und die Sachsendörfer).
1959 erfolgte die Verschmelzung der Winzergenossenschaft Bensheim-Auerbach mit der Starkenburger Winzergenossenschaft zur Bergsträsser Gebietswinzergenossenschaft.
1960 gab es eine Rekordernte. Die für 1,2 Mio DM neu geschaffene Kapazität mit über 600.000 Liter reichte nicht aus und es mussten über 100.000 Liter provisorisch eingelagert werden, darunter auch in Schwimmbassins! Die gesamte Rebfläche der Bergstrasse war auf 260 ha angestiegen. Rund 100 Junganlagen (10 ha) kamen in diesem Jahr dazu. Davon 4/6 Riesling sowie je 1/6 Silvaner und Müller-Thurgau.
Ab 1961 wurde die Wein-Qualität der Genossenschaft gesteigert. Erstmals wurden Spätlesen, Auslesen und sogar Trockenbeerenauslesen eingelagert. In Hemsbach gibt es das erste Weinfest.
1964 vergrößerten 160 Neuanlagen (15 ha) vor allem den Riesling-Anteil.
Die großen Ernten 1963 und 1964 führten 1965 zu einem Preisverfall in der EWG. Der Stabilisierungs-fonds verhinderte eine Katastrophe. Oberstes Gebot waren deshalb Bemühungen um die Steigerung der Qualität. Man sah große Wettbewerbsnachteile wegen der kleinen Rebparzellen und hohen Bewirtschaftungskosten. Doch scheiterten Versuche der Bergsträsser Winzer, Flurbereinigungen durchzuführen, am Widerstand der noch zahlreichen Obstbaumbesitzer. Daher beschlossen die Winzer, wenigstens mit einem freiwilligen Wegebau das Wegenetz wetterfester zu machen. Außerdem versuchte man, die weiter um sich greifende Ausdehnung der Baugebiete in die Rebgemarkung zu bremsen.
Allein 1967 wurden 195 neue Pflanzgenehmigungen erteilt (18 ha, davon 3/4 Riesling).
1968 erreichte der Riesling im Anbau exakt die 50%-Marke.
1970 gelang durch die Verschmelzung der Winzergenossenschaft Bensheim mit der Bergsträsser Gebietswinzergenossenschaft der Zusammenschluss aller genossenschaftlich organisierten Bergsträßer Winzer. Es werden im Weinbau erstmals Traktoren benutzt. Diese sollen die Arbeitszeit geringer halten, indem die Reben in Drahtanlagen gezogen werden. Zu dieser Zeit entsteht ein neues Deutsches Weingesetz, das vor allem für die Qualitätsverbesserung nützlich sein soll. Auch die Weinbezeichnungen werden nun eindeutig festgelegt.
1971 entstand mit dem neuen deutschen Weingesetz das „Weinbaugebiet Hessische Bergstrasse“ als 11. Anbaugebiet Deutschlands. Die „ausgegrenzten“ Mitglieder aus den beiden badischen Nachbargemeinden Laudenbach und Hemsbach durften trotz der Trennung der Anbaugebiete nach politischen Grenzen weiter ihre Trauben nach Heppenheim bringen, wo sie seither, allerdings streng getrennt von den hessischen Weinen, unter der Bezeichnung des Anbaugebietes Baden vermarktet werden. 550 Mitglieder bewirtschafteten nun mit 160 ha Rebfläche etwa 50 % des neuen Anbaugebiets „Hessische Bergstrasse“. Die Die „Winzergenossenschaft Bergstraße“ gibt die Kellerräume der ehemaligen Hemsbacher Burg auf und baut eine Kelterhalle in der Hemsbacher Gottlieb-Daimler-Straße.
Ab 1965 liefert die „Winzergenossenschaft Bergstraße“ den Most nach Wiesloch wo der Wein ausgebaut wird.
1976 brachte einen Jahrhundertjahrgang mit einer Fülle von Prädikatsweinen und Auslesen. Die Superlative entstanden nach einem trockenen heißen Sommer im Oktober durch eine enorme Edelfäule, die Trockenbeerenauslesen in bis dahin unbekannter Menge ermöglichte. Die angelieferten Traubenmengen stiegen in den Folgejahren ständig an: 1968 mehr als 1 Mio. kg, 1973 2,7 Mio. Kg, 1977 2,876 Mio. kg, 1979 mehr als 3 Mio. Liter Wein, 1982 fast 5 Mio. kg Trauben. Zusätzlicher Druck entstand im nachfolgenden Jahr 1983 mit wiederum 3 Mio Liter Wein. Die Unterbringung dieser Ernte konnte nur durch die Auslagerung von 1 Mio. Liter Wein in Tankwaggons am Heppenheimer Bahnhof sichergestellt werden! Mit über 600 Mitgliedern und der bislang größten Rebfläche von 292 ha war der Höhepunkt der Ausdehnung erreicht.
Doch die deutschlandweite übergroße Doppelernte 1982 und 1983 markierte rückblickend betrachtet einen Wendepunkt. Preiskämpfe im Lebensmittel Handel waren die Folge. Bestimmte Weinpartien aus weniger gefragten Lagen oder Sorten mussten als Fasswein vermarktet werden, was die Traubengeldauszahlungen belastete. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sank der Durchschnittserlös pro Liter Wein. Innerhalb des deutschen Weinbaus und auch an der Bergstrasse setzte ein Umstrukturierungsprozess ein. Die deutsche Rebfläche hatte ihre größte Ausdehnung mit rund 110000 ha erreicht. Die allgemeinen Verhältnisse mit guten Verdienst-möglichkeiten in der Industrie und Wirtschaft auf der einen Seite und die stagnierende Erlössituation im gesamten landwirtschaftlichen Sektor führten zu einer Reduzierung der Betriebe. Auch im Weinbau waren besonders in den Nebenerwerbs– und Hobbybetrieben die nachfolgenden Generationen oft nicht zum Weitermachen bereit. Meistens übernahmen größere Betriebe die Flächen und versuchten, mit Maschinen rationeller zu arbeiten.So war abzusehen, dass sowohl die Rebflächen als auch die Flächenerträge wegen der inzwischen in Europa eingeführten gesetzlichen Mengenbeschränkungen nicht mehr wachsen würden. In den steilsten Lagen begann wieder ein Flächenrückgang nach einer vorhergehenden Verdoppelung innerhalb von 3 Jahrzehnten.
Bezüglich der Güte beschloss die Verwaltung der Starkenburger Winzergenossenschaft 1984 ein sehr qualitätsorientiertes Auszahlungssystem, das über finanzielle Anreize (Qualitätszuschläge) die Winzer von einer Mengenproduktion zu Lasten der Qualität abhalten sollte.1984 sorgten bundesweit Diskussionen über Nitratwerte im Grundwasser und Schwefelwerte im Wein für ein neues Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher. Öko-Weinbau wurde sogar Wahlkampfthema. Als eines der ersten Weinbaugebiete stellten die Bergsträsser Winzer die lange Jahre offen gehaltenen Weinbergsböden auf Begrünung um. Der umweltschonen-de Weinbau begann in diesen Jahren. Die Nützlingsschonung natürlicher Gegenspieler anstelle von Insektizideinsätzen wurde hier früh erprobt und bald flächendeckend umgesetzt. Biologische Schädlingsbekämpfung wurde zum Schlagwort.
Auch der deutsche Weinbau geriet in eine immer größer werdende Absatzkrise, nachdem öster-reichische Weine mit Glykol und italienische Weine mit Methanol verfälscht worden waren. Über ein Jahr lang beschäftigten die Skandale die Zeitungen. Die Verbraucher wurden nachhaltig verunsichert und lehnten die zuvor beliebten lieblichen Weine ab. Der Anteil der trockenen und halbtrockenen Weine übertraf bald die 50 % Marke. Der trockene Stemmler wurde Kult.
1987 folgten die ersten Spätburgunder-Rotweine nach etlichen Jahrzehnten Alleinherrschaft der Weißweine an der Bergstrasse.
1989 Die Verbrachung von ehemaligen Rebflächen in den Steillagen angesichts der schlechter werdenen Rentabilität weckt erstmals öffentliches Interesse. Die neuen Normen der EU bringen den Abschied von der traditionellen 0,7-Liter Weinflasche. Künftig sind nur noch 0,75 Liter gestattet.
1990 brachte am Nachmittag des 27. Juni einen noch nie dagewesenen 150 ha umfassenden Jahrhunderthagel. Ausgerechnet die in der Vermarktung inzwischen wichtigste Weinlage Stemmler war am schlimmsten betroffen. Verschiedene Weine der Genossenschaft konnten nicht mehr konti-nuierlich geliefert werden. Der Handel ersetzte sie mit billigeren Fremdweinen. „Marktanteile gingen z.T. unwiederbringlich verloren! Es gab einen neidischen Herbst. Während in den nicht hagelgeschädigten Lagen eine gute Ernte eingefahren wurde, gab es Winzer, die nur 5 % hatten.“
Bei der biologischen Schädlingsbekämpfung gab es einen weiteren Fortschritt mit der Einführung der Pheromonfallen zur Unterstützung der Traubenwicklerbekämpfung.
Der Riesling hatte nun auch an der Bergstrasse seinen Höhepunkt erreicht. Neue Sterne am Rebsortenhimmel gingen jedoch schon auf. Der Erfolgsweg einer alten Rebsorte, dem Ruländer, in einer neuen Ausbaurichtung als „Grauer Burgunder“ begann.
Auch der Herbst 1991 sollte ein „neidischer Herbst“ werden. Ein Jahr mit Witterungsturbulenzen hatte ihn hervorgerufen: Zunächst ein ungewöhnlicher Spätfrost im April. Ein extremer Windfrost hatte ausgerechnet die besten Lagen und nicht wie normalerweise erwartet die typischen Frostlagen geschädigt. Ein Drittel der möglichen Gesamternte war erfroren, einzelne Flächen bis zu 90 %! Dies war ein weiterer Rückschlag für die Bensheimer Lagen und wieder dem Heppenheimer Stemmler. Glühende Hitze und Trockenheit im Sommer waren zudem die ersten Vorboten für viele danach folgende trockene Sommer.